Samstag, 16. Oktober 2010

Ohne Anwalt

16. Oktober 2010
Braucht man nicht bei Familiensachen

Hat jemand ein seelisches Tief, ist jemand psychisch vorübergehend angeschlagen, bedient sich so manches Jugendamt bei den Kindern. Weg sind sie. Vorher werden meistens Gutachten erstellt. Viele genügen wissenschaftlichen Kriterien nicht. Ob sich Familiengerichte die Ergebnisse von Gutachten zueigen machen, steht auch nicht immer fest. Rechtssicherheit sieht anders aus.

Deswegen braucht man eine Anwältin oder einen Anwalt, der sich im Familienrecht auskennt? Nicht unbedingt. Doch bei den Verhandlungen sollte jemand dabei sein. Damit nicht anschließend über das Gesagte oder Nichtgesagte ein Streit entbrennt. Oder aus anderen Gründen die Funken fliegen.

Das FamFG bietet zwei Möglichkeiten: Die erste ist in § 10 geregelt. Als Bevollmächtigter für die Sache eintreten kann ein Familienmitglied. In Familiensachen gibt es keinen Anwaltszwang. Existiert kein Familienmitglied, das einem Gerichtsverfahren gewachsen ist, sucht man sich nach § 12 einen Beistand: "Beim Termin können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten das Verfahren selbst betreiben können, als Bevollmächtigter zur Vertretung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. § 10 Abs. 3 Satz 1 und 3 und Abs. 5 gilt entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird." So steht es auch in § 90 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Anträge, die bis zum Termin  erforderlich erscheinen, stellt man selbst. Der Beistand kann dabei durchaus Hilfestellung leisten, unterschrieben werden müssen die Anträge jedoch von den Eltern, von Mutter oder Vater.

Fehlt nur noch eine Zange für das Jugendamt. Die hat man bei Verfahrensfehlern. Die gibt es eigentlich bei jedem Kindesentzug. Hilfreich sein kann diese Entscheidung des Europäischen Menschengerichtshofes im Fall Olsson (Appl. no. 10465/83). Ein Auszug:


"1. Es genügt nicht, dass es dem Kind besser ginge, wenn es aus der Familie genommen wird.

2. Im Falle, dass keine Adoption vorliegt: Die Entscheidungen zur Herausnahme müssen deshalb als vorläufige, und sobald es die Umstände erlauben, aufzuhebende Maßnahme angesehen werden und jede zu ihrer Durchführung im Einklang mit der neuerlichen Zusammenführung der Familie stehen.

3. Die Bindung zwischen den Mitgliedern einer Familie und die Aussichten für ihre erfolgreiche Zusammenführung werden notgedrungen schwächer werden, wenn ihrem leichten und regelmäßigen Zugang zueinander Hindernisse in den Weg gelegt werden. Das ist eine unzulässige staatliche Einwirkung."

Klage eingereicht werden muss bei dem Verwaltungsgericht, dessen Zuständigkeitsbereich im Zuständigkeitsbereich des Jugendamtes liegt. Bestätigt das Gericht Verfahrensfehler, sind Kinder schneller wieder zurück als man denkt.

Dazu ein konkreter Fall: Ich bekomme eine Vollmacht als Bevollmächtiger in mehreren Verfahren. Diese Vollmacht wird abgelehnt. Die von mir gestellten Anträge werden trotzdem zur Kenntnis genommen. Einen meiner Anträge wertet das Familiengericht als verfahrenseinleitenden Antrag. Die Mutter bekommt also einen neuen Termin. Schon meldet sich das Jugendamt und bietet der Mutter ein Gespräch an. Ich darf dabei sein, heißt es, dann werde ich wieder ausgeladen. Inzwischen hat mich die Mutter als Beistand vor dem Familiengericht benannt. Dazu gibt es noch keine Entscheidung des Familiengerichtes. Zum Termin beim Jugendamt nimmt die Mutter eine Vertraute mit. Das Verwaltungsgericht vergibt nächste Woche ein Aktenzeichen für die Klage gegen das Jugendamt, das von der Anwältin der Mutter, der mittlerweile das Mandat entzogen worden ist, angerufene Oberlandesgericht kündigt ebenfalls einen neuen Termin an. Auch dieses Gericht hat mich als Bevollmächtigten nach § 10 FamFG abgelehnt. Greifen wir also zu § 12 FamFG und § 90 ZPO...Geschafft haben wir das in 14 Tagen. Jede Anwältin  und jeder Anwalt braucht länger! Und wird teuer...

16. Oktober 2010, ein paar Stunden später

Eine Mutter hat eine Anwältin: Das OLG Hamm will ein schriftliches Verfahren einleiten, die Mutter nicht anhören


Eine Mutter hat Heinz-Peter Tjaden: Das OLG Hamm ordnet eine mündliche Verhandlung an, die Mutter bekommt Gehör, ich bin der Beistand, Sohnemann ist auch eingeladen :-)

Gesetzesbruch vor Familiengerichten - wie lange noch?