Freitag, 30. Juli 2010

Eiserner Besen

30. Juli 2010
Erwecken Sie bloß nicht den Eindruck von Tatsachen

Zum Hamburger Landgericht gehören zwei Medien-Kammern. Die kehren mit eisernem Besen. Sind sozusagen juristische Besenkammern. Erwecken aber einen anderen Eindruck. Das darf man jedoch nicht. Eindruck erwecken. Eindruck machen darf man aber.

Den machen die beiden Vorsitzenden Richter Buske und Schulz. Während Buske kaum noch zwischen Meinungsäußerungen und Schilderung von Tatsachen unterscheidet, unterscheidet sich Schulz von Buske durch seine Verhandlungsführung.

Buske ist eher der Dichter und Denker. 24, 25, der Beklagte möge passen. Denn: Jede Meinungsäußerung hat nach Buskes Auffassung auch einen Tatsachenkern. Und der ist dem Beweis zugänglich. Zwar nicht jedem, aber zumindest Schulz in der anderen Kammer.

Geht jetzt ein wenig hin und her? Für Beklagte aber auch. Zitiert jemand einen Beschluss von Schulz wortwörtlich und fügt diesem Zitat eine kritische Bemerkung an, dann wird von diesem Jemand ein Eindruck erweckt. Siehe oben. Begriffen. Darf man nicht. Doch: Zitieren darf man. Aber nur Schulz. Sonst erweckt man einen Eindruck.

Unterschiede gibt es auch: Während Schulz Zeugen nicht anhört, kommt es Buske auf die Glaubwürdigkeit von Zeugen nicht an. Glaubwürdig sind nur die Beschlüsse der beiden Medien-Kammern.

Dafür muss man nicht studiert haben, denn Glauben ist nicht wissen. Studieren schadet aber nicht. Muss nicht Verfassungsrecht sein. Auf dem Boden des Grundgesetzes stehen schon genug einfach nur so herum. Müssen Buske und Schulz also nicht auch noch.

Noch gibt es zwar ein paar Zeitungen, Zeitschriften und elektronische Medien, die meinen, schreiben zu müssen, was sie schreiben wollen. Aber auch diese Meinung enthält einen Tatsachenkern. Nötig sind also Anschlusstatsachen. Behauptet ein Journalist, dass die Bundesregierung mit ihrem Sparpaket viele Familien noch weiter in die Armut treibt, ist das ein Klagegrund.

Fiktiv betrachtet: Merkel klagt 24, 25 gegen diese Meinungsäußerung, dann ist das für Buske gar keine. Für Schulz auch nicht. Buske würde sagen: "Wenn Sie mir jetzt 12 Familien präsentieren, die ärmer werden, reicht das nicht. Wenn schon, dann will ich hier alle haben. Ausnahmslos." Schulz würde sagen: "Sie erwecken den Eindruck, dass unsere Bundeskanzlerin..."

Real genommen: Wo man verklagt wird, ist nicht wichtig. Wichtig ist: Man verliert. Den Glauben an die Justiz.

Donnerstag, 29. Juli 2010

Das Sprachrohr Gottes

29. Juli 2010
"Sprachrohr Gottes" vor Gericht

Rolf Schälike berichtet auf seinen Buskeismus-Seiten über einen spannenden Fall.

Hier lesen

Samstag, 24. Juli 2010

Früher Platten- heute Klagenschrank

24. Juli 2010
Endlich weniger Lob und mehr Leser

Früher hatte ich einen Plattenschrank. Waren drin Scheiben von Reinhard Mey, Franz-Josef Degenhardt, Hannes Wader, Uriah Heep, ACDC, Leonhard Cohen...

Doch dann gab ich dem Evangelischen Kirchenfunk ein Interview. Thema: Sekten. Brachte mir den ersten Strafantrag ein. Die Staatsanwaltschaft Hannover stellte das Verfahren ein, bescheinigte mir vorzügliche Recherche. Der Vorgang bekam zwei Löcher zum Abheften.

Gelernt hatte ich als Redakteur: Frag die Gegenseite. Machste das, biste aus dem Schneider. Sah ein Sektenpräsident aus Kanada anders. Der reagierte auf drei per Fax gestellte Fragen in Minutenschnelle mit einer Klageandrohung. Mich werde die gesamte Wucht der deutschen Justiz treffen. Drei Anwälte fauchten. Waren aber nur Papiertiger.

Vorgang kaum gelocht, fiel ich unter die Hellseherinnen. Eine wollte mir ihren Verlobten vorbeischicken zwecks Beibringung blauer Augen, eine wollte gerichtlich in mir den Glauben stärken, dass ich ein wieder geborener Bruder von Jesus bin.

Da war mir klar, der Plattenschrank musste weg, ein Schrank für Anwaltsschreiben und Vorladungen her. Drin war schon bald viel Papier. Von einem CDU-Ratsherrn, der mir die Veröffentlichung eines Buches untersagen wollte, das bereits auf dem Markt war, von einem Anwalt, der behauptete, ich hätte ihn in aller Öffentlichkeit schlecht gemacht und weiteres Zeug, dass mir aber keiner am Körper flicken konnte.

Als nächster Schrankfüller erwies sich eine Einrichtung für Drogenpatienten. Zu deren Therapiemethoden sind auch Unterlassungserklärungen und einstweilige Verfügungen zu zählen. Dafür muss der Leiter der Einrichtung zwar nicht approbiert sein, aber einen Anwalt haben, das muss er.

Ist vorhanden - wie neuerdings auch Klagen gegen von mir veröffentlichte Kritik an eben dieser Einrichtung. Zwei Löcher bekamen heute 18 vorwurfsvolle Seiten. Beim Lesen verstanden habe ich auf Seite 17 endlich, warum meine Fragen ohne Antworten geblieben sind. Dafür hatte man in der Einrichtung einfach keine Zeit, denn: "Wegen der Fülle von Anfeindungen und der großen Aufmerksamkeit, die diese Veröffentlichungen des Beklagten in der Szene gefunden haben, muss sich der Kläger mittlerweile auf jeder der durchaus zahlreichen wissenschaftlichen Veranstaltungen, an denen er als Referent oder Zuschauer teilnimmt, gegenüber den Vorwürfen des Beklagten rechtfertigen."

Wäre das so, hätte ich das Ziel erreicht, das sich frei nach Lessing so definieren lässt: Wer schreibt, will weniger gelobt und mehr gelesen werden...   

Sonntag, 18. Juli 2010

WM-Tagebuch

18. Juli 2010
Noch ein WM-Fall: Bundespräsident zu dicht an der Nationalelf

Hier lesen

10. Juli 2010
Kann man so den Bundestrainer beleidigen?

"Was darf Satire?" fragt die "Hamburger Morgenpost" und behauptet, die ARD habe Bundestrainer Joachim Löw beleidigt. Der lasse nun juristische Schritte prüfen.

Kurt Tucholskys Antwort auf die Frage, was Satire darf, lautet "Alles!" Schon kommt ein Aber. Nicht als Widerspruch zu des Dichters Auffassung, sondern sozusagen zur Qualitätsprüfung.

Bereits bei der WM 2006 hat der öffentlich-rechtliche Radiosender 1Live die Geschmacksnerven mit einem WM-Tagebuch von Lukas Podolski überstrapaziert. In unsäglichen Beiträgen sollten die sprachlichen Fähigkeiten des Nationalspielers durch den Kakao gezogen werden - was dabei heraus kam, war aber kein Genuss, sondern nur für den...

Da wir seit Helmut Kohl wissen, dass nur wichtig ist, was hinten dabei herauskommt, sei zitiert, was 1Live am 5. Juli 2010 abgesondert hat. Dies: „Ich bin Linksaußen. Meistens spiel' ich nach vorn, außer wenn Jogi sagt: ,Lukas, du musst auch mal hinten helfen.‘ Dann sag ich meistens: ,Ey, Babykaschmir, ich helf' dir gleich hinten. Aber warum muss ich dir eigentlich hinten helfen? Hat Hansi Flick wieder Migräne, oder was?"

Vor vier Jahren hat Lukas Podolski die Gerichte bemüht - doch er mühte sich vergeblich. Aus unerfindlichen Gründen reklamierte die ARD für derartigen Scheiß die Kunstfreiheit. Und bekam Recht. Aber aus einem eher peinlichen Grund. Der lautete: Der Versuch, Lukas Podolski lächerlich zu machen, war aus qualitativen Gründen in die Hose gegangen.



Eine weise Entscheidung. Die sich Joachim Löw in Erinnerung rufen sollte. Wer bei diesen WM-Tagebüchern auch nur an Satire denkt, der man außerdem nichts verbieten darf, beleidigt alle, die dieses Stilmittel noch beherrschen.

Ein Satiriker stellt die Wirklichkeit auf den Kopf, damit sie auf die Beine kommt. Zu dieser Wirklichkeit gehört: Gerichte müssen sich schon oft genug mit dem beschäftigen, was hinten dabei herauskommt. Joachim Löw muss da nichts mehr hinzu tun...